Lebenskunst der
Achtsamkeit
nach Jon Kabat-Zinn
Die Achtsamkeit besteht aus dem Weg nach außen und
dem Weg nach innen.
Handeln und Stille, Alltag und Meditation, Sein und Tun.
Sie
ist eine Lebensgrundhaltung, die einerseits aus einem sehr bewusst gelebten
Alltag besteht und andererseits aus Zeiten der Stille, des Fühlens und Spürens.
Ich muss es auch nicht Meditation nennen. Es hat mit keiner Religion zu tun und
gleichzeitig ist es die Grundlage für alle Religionen. Es ist jene
Lebensgrundhaltung, die jedem Menschen angeboren ist, in der Kindheit aber
verlernt wird. Sie ist ein Naturgesetz.
Wie übe ich diese Lebenshaltung in
der Meditation und im Alltag, um daraus innere Ruhe, Kraft, Lebenslust und
Arbeitsfreude schöpfen zu können?
Nicht werten – nicht urteilen
Es
ist das einfache, stille Spüren und Wahrnehmen der wirklichen Lebenssituation,
ohne sie zu bewerten und zu beurteilen. Ich teile nicht ein in gut und schlecht,
hässlich und schön, sondern erfahre alles Sein als vollkommen. Ich stelle mich
der Wahrheit, so wie sie sich mir in diesem Augenblick zeigt – ich bin ganz im
Jetzt. Ohne Gedanken und Urteile über die Situation.
Geduld
In der
Achtsamkeitspraxis übe ich mich in Geduld, weil ich weiß, dass jedes Ding seine
eigene Zeit hat, dass alles zuerst wachsen und reifen muss, um sich entfalten zu
können. Ich warte geduldig auf den richtigen Moment. Wenn ich achtsam im Jetzt
verweile, spüre ich diesen richtigen Moment aus meiner Intuition heraus. Immer
wenn meine Gefühle gut sind und ich Freude spüre, weiß ich, dass ich auf dem
richtigen Weg bin.
Den Geist des Anfängers bewahren
Um die Fülle des
Augenblicks erfahren zu können, müssen wir jene innere Offenheit entwickeln, die
bereit ist, alles so zu sehen, als wäre es das erste Mal. Unsere vor gefassten
Meinungen und Vor- Urteile lassen uns blind werden für die Vielfalt, die in
allem liegt und den Reichtum des Augenblicks, der in den unbeachteten,
gewöhnlichen Dingen liegt.
Wieder das Staunen lernen – Kinder können es von sich
aus.
Vertrauen
Integraler Bestandteil der Achtsamkeit ist das
Entwickeln von Vertrauen in die eigene innere Weisheit, die Intuition. Ich lerne
zu vertrauen, dass meine Gefühlen, die Stimme in mir, meine Neigungen, mir die
richtigen Signale senden. Daraus entsteht Offenheit für alle anderen Quellen und
darauf bauend können der Kopf und die Gedanken die richtigen Schritte setzen. Je
mehr ich auf mein inneres Ganzsein vertraue, umso mehr kann ich die
Verantwortung für mein Leben übernehmen und umso mehr kann ich es auch in meinen
Mitmenschen sehen und anerkennen.
Nicht-Greifen
Es bedeutet, die
Dinge unparteiisch, urteilsfrei so sein zu lassen, wie sie sich Augenblick für
Augenblick entfalten, denn in dem Moment, wo sich etwas zeigt, kann es weder
anders, noch ungeschehen gemacht werden. Ich konzentriere mich auf die
Gegenwart, nehme wahr und beobachte, wie sich ohne Anstrengung und ohne Wollen
alles verändert, fließt.
Akzeptanz
Sehr viel Lebenszeit und Energie
vergeuden wir damit, die Dinge zu bekämpfen, die anders sind als wir sie gerne
hätten. Wir klammern uns an unsere Vorstellungen, wie die Dinge zu sein hätten,
unfähig die Realität zu akzeptieren oder gar Vorteile anzuschauen. Sturheit
erzeugt Spannung und Druck und verhindert Heilung. Akzeptanz bedeutet nicht
alles gut zu finden, oder in Passivität zu verfallen. Es ist die einfache
Bereitschaft, Menschen und Geschehnisse frei von den eigenen Interpretationen
ganzheitlich wirken zu lassen. Das ermöglicht, Situationen und Menschen klar und
vorurteilsfrei wahrzunehmen und der wirklichen Situation entsprechend zu
handeln, nicht gemäß unserem Denken über die Situation. Das gibt dem Handeln
eine ungleich größere Kraft, weil sie zum Besten für die Situation als Ganze
geschieht.
Loslassen
Es ist das, was wir im Schlaf ganz natürlich
tun. Wenn es uns nicht gelingt loszulassen, finden wir auch keinen Schlaf. In
Zeiten erhöhten Stresses kennen wir das alle.
Die Entwicklung des Loslassens
als Lebensprinzip entlastet uns in unserem Leben und bringt viel Ruhe und
Gelassenheit. Die Gewohnheit, sich an schöne Dinge zu klammern und Unliebsames
los sein zu wollen, wird in der Achtsamkeitsmeditation schnell als Energie
raubend und unbrauchbar erkannt. Leben ist Fließen, es lässt sich nichts
erzwingen. Los zu lassen bedeutet zu akzeptieren, weil alles Sein weder als
positiv noch als negativ beurteilt wird, sondern als vollkommen reale
Lebenssituation erfahren wird, aus der heraus mein best möglichstes Handeln
erforderlich ist. Ich lasse jede Erfahrung zu, wie sie ist, übe mich darin zu
beobachten und lasse zu, dass sich alles ständig verändert. Klammern und
Ablehnen sind Impulse, die wir fälschlicherweise für absolute Größen halten.
Indem ich akzeptiere, geschieht das Loslassen.
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